In einem beliebten Schlager heißt es: „Man müsste noch mal 20 sein!“ Doch wer jetzt die Feier des Schwelmer „Turnclubs Jungmühle“ miterlebt hat, der weiß, dass es keinen Blick zurück auf die Jugendzeit braucht, denn auch und gerade im höheren und reiferen Alter steht man doch wahrlich „mitten im Leben“.
Die gut 20 Damen feierten ihre Gemeinschaft im Restaurant „Aechte de Muer“ mit spürbarer Freude, Heiterkeit und einem bunten Programm. Für Bürgermeister Stephan Langhard, begeistert von Temperament und Lebensfreude der Turnschwestern, steht die „Jungmühle“ symbolisch „für das selbstbewusste Bürgertum, das nach dem Ersten Weltkrieg viele Vereine und Gruppen begründet und die Gesellschaft mitgeprägt hat“.
Vereine seien auch das Spiegelbild ihrer Zeit und würden daher bessere und schlechtere Phasen erleben. Die „Jungmühle“ habe nach dem Zweiten Weltkrieg schnell wieder Fuß gefasst und pflege neben dem Sport auch die Gemeinschaft. Und das sei wichtig, „denn die Vereine sind der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält!“, so das Stadtoberhaupt.
Gegründet wurde der Club – ein privater Zusammenschluss – am 7. November 1924. Der frühere WP-Redakteur Jürgen Taake schrieb zum 60-Jährigen des Turnclubs in der Westfalenpost: „1934 feierten die Sportlerinnen das zehnjährige Bestehen des Clubs. Und erst da bekam der Verein seinen Namen: Heimatdichter Wilhelm Heute widmete dem Turnclub Jungmühle ein Gedicht. Der Krieg setzte dem fröhlichen Treiben zunächst ein Ende. 1945 begann der Verein wieder mit den wöchentlichen Übungsstunden. Aber bis 1950 war die Jungmühle dennoch auf vier treue Mitglieder zusammengeschrumpft. Erst die Idee, eine Wandergruppe zu bilden, brachte den erneuten Aufschwung.“
Vor zehn Jahren wurde das 90. Gründungsjubiläum mit 35 Mitgliedern gefeiert. Brigitte Schlenz, seit nunmehr 15 Jahren die Vorsitzende, hatte damals gesagt: „Nachwuchssorgen haben wir nicht. Wir werden immer mehr“. Es herrschte sogar ein Aufnahmestopp. Heute zählt die Gruppe 23 Damen, und an der Feier zum 100. Gründungsjubiläum nahm auch das älteste Mitglied mit nun 100 Lebensjahren teil.
Geturnt wird jeden Dienstag von 14 bis 15 Uhr in der Sporthalle der Grundschule Nordstadt: Gymnastik, Übungen mit dem Reifen, Zirkeltraining, Balanceübungen – alles dem Lebensalter angepasst.
Zum Stammtisch kommt man am 1. Mittwoch im Monat bei Ilse Dumke im Lokal „Zur Oberstadt“ zusammen. Und in den Ferien, wenn die Turnhalle geschlossen ist, trifft man sich auf eine fröhliche Stunde im Eiscafé Conti.
Zur Unterhaltung auf der Jubiläumsfeier trug Propst Norbert Dudek bei, der, in Schottenkleidung gewandet, Amazing Grace auf dem Dudelsack spielte und die Geschichte vom Glück der Gnade erläuterte, die hinter dem weltweit wohl wichtigsten geistlichen Lied steht.
Bernd Oesterling und Hans-Georg Müller unterlegten das Jubiläum mit einem gehörigen Maß an Schwelmer Platt, natürlich mit launigen Anleihen bei Wilhelm Heute alias Käpp vam Müöllenkoatten und Winkelströters Hans, dessen Hochdeutsch/Platt-Lektionen unvergessen sind. Keine Frage: Natürlich konnten die Turnschwestern jeden Begriff aus dem Schwelmer Platt in Nullkommanichts ins Hochdeutsche übersetzen. Abgerundet wurde die Feier mit toll gespielten und gesungenen Evergreens vom Ensemble JeKaMi (Jeder kann mitmachen) der Städtischen Musikschule Schwelm.
Man kann vieles mitnehmen von dieser bemerkenswerten Feier, z.B. die einmal mehr bestätigte Erkenntnis, dass Turnen, ja, Bewegung überhaupt der Gesundheit förderlich ist und wahrlich jung hält. Genauso wichtig ist aber auch die Erfahrung, dass das menschliche Miteinander und der gesellige Austausch das Wichtigste im Leben sind.
Schwelm, den 11. November 2024